Die Aktion Mensch fördert die neue Koordinationsstelle bei Papatya gegen Verschleppung, Zurücklassen und Zwangsverheiratung von Mädchen und jungen Frauen im Herkunftsland der Eltern.
Die Koordinationsstelle entstand aus den Erfahrungen, die PAPATYA in der eigenen Kriseneinrichtung zum Schutz von Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund machten. Viele der Mädchen und jungen Frauen, die sich an PAPATYA wenden, befürchten, ins Herkunftsland der Eltern verschleppt und dort gelassen zu werden, wenn sie sich gegen die Heiratsabsichten der Familie zur Wehr setzen oder die Familie erfährt, dass sie einen heimlichen Freund haben. Wenn sie erst einmal in der Türkei, im Irak oder z.B. im Libanon sind, meist ohne Pass und ohne Handy, sind sie ihrer Familie schutzlos ausgeliefert und können sich nur schwer dagegen wehren, einen ungeliebten Mann zu heiraten. Hilfe ist dann nur schwer zu finden. Umso wichtiger ist es, präventiv zu arbeiten und die Verschleppung ins Herkunftsland der Eltern zu verhüten. Betroffen sind Mädchen mit Migrationshintergrund ab der Pubertät, überwiegend im Alter zwischen 14 und 21 Jahren, egal, ob sie einen deutschen oder ausländischen Pass haben.
Die Koordinationsstelle gegen Verschleppung ist erstmalig eine zentrale Anlaufstelle, die überregional Hilfe anbietet und mit wichtigen Kooperationspartnern vernetzt arbeitet. Sie registriert Fälle von Heiratsverschleppung und bietet spezialisierte Beratung zur Prävention sowie der Auslotung von Rückführungsmöglichkeiten. Verschleppung ist bisher nicht systematisch erfasst und dokumentiert worden. Weder über Ausmaß noch über Formen ist über Einzelfälle hinaus viel bekannt, ein erhebliches Dunkelfeld ist zu vermuten. Aber auch wenn Einzelfälle bekannt werden, ist Unterstützung oft nur sehr schwer zu organisieren, auch bei den Beratungsstellen herrscht oft Hilflosigkeit und Überforderung. Wir wollen systematisch vorhandenes Wissen bündeln, mögliche Vorgehensweisen entwickeln und Interventionsketten entwerfen, um im Einzelfall eine Rückkehr möglich zu machen.
Die Koordinationsstelle arbeitet seit dem 1.5.2013 in den Räumen von PAPATYA.
Durch die enge Verknüpfung mit der Kriseneinrichtung PAPATYA verfügt die Koordinationsstelle über langjährige Erfahrung auch in Bezug auf die psychische Zwangslage Betroffener und ihre Gefährdung nach einer Rückkehr nach Deutschland. Die Koordinationsstelle ist auch behilflich bei der adäquaten Strategie nach der Rückkehr in Bezug auf Anonymisierung, Unterbringung und Schutz. Sie nimmt eine Risikoanalyse vor und kooperiert bei Bedarf mit der Polizei.
Betroffene Mädchen und junge Frauen können über unsere Online-Beratung SIBEL direkt per E-Mail Kontakt zu uns aufnehmen, egal an welchem Ort und zu welcher Uhrzeit. Dadurch ist es uns in Einzelfällen in der Vergangenheit schon gelungen, einen Weg zur Rückkehr zu finden. Einige der Mädchen bleiben aber auch spurlos verschwunden, müssen vermutlich irgendwo auf dem Dorf im Libanon oder der Türkei bei Verwandten oder Schwiegereltern wohnen oder sind vielleicht schon gar nicht mehr am Leben.
Der Erstkontakt ist vorzugsweise über E-Mail: beratung@papatya.org. Telefonisch ist PAPATYA erreichbar über den Jugendnotdienst: 030 610062 (durch Rückruf).
Weitere Informationen unter www.papatya.org und www.sibel-papatya.org