Am 1. Februar 1920 nahm die Frauenberaterin Ilse Eggert ihre Arbeit in Neukölln auf. Sie sollte eine Anlaufstelle für alle kommunalen Angebote für Frauen aufbauen.
„Ihr Wirkungskreis bestand darin, sich der in Bedrängnis geratenen Personen anzunehmen und sie denjenigen Stellen zuzuweisen, von denen ihnen Hilfe zuteilwerden konnte“, heißt es in ihrer Personalakte. „Besonders lag ihr die Sorge für Schwangere und Wöchnerinnen sowie für körperlich und sittlich gefährdete Frauen und Mädchen ob.“ Auch Berufsberatung konnten Mädchen und Frauen bei ihr erhalten.
In der Beurteilung nach der einjährigen Probezeit der Frauenberaterin wurde Ilse Eggert vorgeworfen, mit den zuständigen Verwaltungsstellen nicht einvernehmlich zusammen zu arbeiten. Ihr „eigensinniges Beharren“ habe zu zahlreichen Konflikten geführt. Schon ihre Schrift sei sie „anmaßend und aufdringlich“.
Im Mai 1921 kündigte der zuständige Stadtrat Ilse Eggert, „weil sie nicht die Eigenschaft besitzt, die wir von ihr als Leiterin der Frauenberatungsstelle unbedingt verlangen müssen. Insbesondere ist ein großes Hemmnis, dass sie sich in keiner Weise unterordnen kann […]“.
Es gibt weder einen Hinweis darauf, dass die Stelle der Neuköllnerin Frauenberaterin neu besetzt wurde, noch dass es in einer anderen Berliner Bezirk oder einer anderen deutschen Kommune in Deutschland während der Weimarer Republik eine solche Vorläuferin der heutigen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten gegeben hat. Erst mit der Neuen Frauenbewegung konnten diese ab Mitte der 1980er überall verankert werden. Aber nicht wenige von ihnen kämpfen bis heute mit den gleichen Widerständen um die Durchsetzung von Frauenbelangen wie Ilse Eggert vor hundert Jahren.
Claudia v. Gélieu/Frauentouren
Quelle: Die Frauenberaterin, in: Claudia v. Gélieu, Wegweisende Neuköllnerinnen. Von der Britzer Prinzessin zur ersten Stadträtin, Berlin 1998, S. 155-158